Buchbesprechung

Nadia Gilani

The Yoga Manifesto

How Yoga Helped Me and Why It Needs to Save Itself

 

bluebird books for life 2022

ISBN 978-1-5290-6512-1

auch als ebook zu beziehen

 

 

 

Die Pakistanin Nadia Gilani machte in einer kritischen Fernsehreportage zum Yoga bei Alpha-Wissen-Kompakt auf sich aufmerksam. In ihrem Buch The Yoga Manifesto gewährt sie den Lesern einen aktuellen Einblick in die angelsächsische Yoga-Szene. In Deutschland mögen sich die Verhältnisse auf Grund der durch die Krankenkassen unterstützten Präventionsmaßnahmen etwas anders darstellen. Aber ihre Hauptkritikpunkte sind auch hier zu diskutieren.

 

Das Motiv für das Schreiben des Buches war das Erkranken der Autorin durch die Tätigkeit in der Wellness-Industrie. Detailreich beschreibt sie ihr Erleben als Yoga-Lehrerin in den verschiedensten Studios Londons. Als sich die körperlichen Beschwerden bis zu Unerträglichkeit steigern, wird ihr bewusst, wie die Wellness-Industrie (Yogastudios, Anbieter von Yoga-Bekleidung und Equipment, Internetportale usw.) sehr gut auf Kosten ihrer Gesundheit verdient. Die Autorin ist bereits in ihrer Kindheit durch ihre Mutter mit Yoga in Kontakt gekommen. Um auf dem hart umkämpften Markt existieren zu können passt sie sich den Gegebenheiten an, muss aber dann doch feststellen, dass es nicht mehr ihr Yoga ist, was der Mainstream so trendy vermarktet. Fitness, Livestile Posing, Selbstoptimierung, und Resilienz sind die entscheidenden Schlagworte. Die Kernthemen des Yogas, wie die Entwicklung von Spiritualität, gesellschaftspolitischer Haltung und der Fürsorge für das eigene Selbst, wie auch für das Selbst der belebten und unbelebten Umwelt, waren lange bereits an den Rand der Aufmerksamkeit gedrängt worden. Yoga hatte sich aus einer emanzipatorischen Bewegung heraus zu einem Sahnehäubchen für zumeist einkommensstarke, junge, weiße Frauen entwickelt. Reduziert auf das Training von körperlicher Fitness und narzisstischer Eitelkeit, wenn es um die Selbstdarstellung in den sozialen Medien geht. Ausbildungseinrichtungen entlassen nach 30 tägigen Lehrgängen eine große Menge neuer hoffnungsvoller Yogalehrer von fragwürdiger Expertise. Sie drängen auf einen hart umkämpften Arbeitsmarkt mit schlechter Entlohnung und elendigen Arbeitsbedingungen. Es wird eine große Menge Geld verdient an den kaum erfüllbaren Hoffnungen und Träumen der Kursabsolventen.

 

Gilani appelliert an alle Akteure in der Yoga-Szene, sich auf die eigentlichen Kernthemen des Yogas zu besinnen, nämlich die Yoga-Sutras zu beherzigen und das eigene Handeln in diesem Sinne zu gestalten. Dabei beleuchtet sie Themen wie die kulturelle Aneignung, den versteckten Sexismus, die elitäre und ausgrenzende Haltung gegenüber people of color, anderen sozialen Schichten und Menschen mit gesundheitlichen Einschränkungen.

 

Das Üben ihres eigentlichen Yogas bringt sie endlich dazu, das Leben ehrlich zu reflektieren und entsprechend das Handeln aus zu richten. So beschreibt Gilani, ihre Entwicklung im Verlauf des Übens von Yoga. Der Zusammenhang zwischen den quälenden Empfindungen in den Yoga-Asanas des durch die Krankheit „verdrehten“ Körpers und ihrem Sein im sozialen Umfeld kann die Leserschaft nachempfinden.

 

Man merkt der Autorin an, dass es ihr um eine Angelegenheit des Herzens geht. Man kann ihr nur wünschen, dass viele den Aufruf lesen und sich in ihrer Arbeit und im Üben von Yoga inspirieren lassen. Es bleibt die Hoffnung auf ein neues, die Ursprünge und Wurzeln wertschätzendes Yoga der Zukunft.

 

 

Raimond Hintze, September 2024